Frustrierte Gesichtsausdrücke bei Hunden war kürzlich das Forschungsthema eines Schweiz-englischen Forscher-Teams. Obwohl wir Menschen angeblich Emotionen artübergreifend lesen können, tun wir uns im wahren Leben nämlich doch nicht so leicht. Da aber ein Verstehen und Sehen von negativen Emotionen als Prävention vor Unfällen mit Hunden sehr wichtig sind, sollte sich jeder damit beschäftigen und lernen genauer hinzusehen. Auf Frustration kann bekanntlich aggressives Verhalten folgen.
Gefühlslage bei Frustration
Frustration ist ein Gefühlzustand, der in den unterschiedlichsten Situationen auftreten kann. Insbesondere, wenn zum Beispiel eine erwartete Belohnung ganz ausbleibt, länger zurückgehalten wird, in ihrer Wertigkeit vermindert wird (z.B. statt Speck nur Brot) oder durch eine statische oder soziale Barriere nicht erreichbar ist. Frustration ist dabei nahe mit der Emotion der positiven Erwartung verknüpft. Dabei spielt natürlich auch die Frustrationstoleranz eine Rolle, also wie schnell bin ich frustriert und wie gut kann ich meine negativen Gefühle beherrschen. Emotionen können generell auf 2 Achsen gelesen werden: Einerseits ob die Emotion in eine positive oder negative Richtung geht und andererseits wie stark die Emotion ausgeprägt ist. Den Grad der Ausprägung dieser Emotionen kann auch am Gesichtsausdruck abgelesen werden.
Signale für negative Gefühlszustände
Das Lecken mit der Zunge über die Nase wird allgemein als Stresssignal betitelt. Dabei darf aber nicht alles verallgemeinert werden, denn das Lecken mit der Zunge gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Zum Beispiel ob die Zunge nur herausgestreckt wird, die Lippen berühren oder weit nach oben über die Nase geschleckt wird. Ein anderes Zungen-Lecken kann auch etwa das “Maulschlecken” als Vorfreude auf ein vorgesetztes leckeres Futter sein. Oder einfach ein Weglecken von zu viel Nasenflüssigkeit. Es gibt wissenschaftliche Schemata, die die unterschiedlichsten Gesichtsausdrücke von Mensch, Hund und diverser anderer Tierarten genau aufgezeichnet haben (das sogenannte: FACS – Facial Action Coding System). Diese können verwendet werden, um Gesichtsausdrücke ohne eigene Interpretation zu codieren und analysieren. Beim Hund wird das „DogFACS“ (Dog Facial Action Coding System) verwendet.
Dog FACS – wozu Gesichtsmimik kodieren?
Dieses Kodierungssystem wurde also entwickelt, um die Gesichtsmimik präzise zu analysieren und dabei keine eigenen Interpretationen hinzuzufügen. Ebenfalls toll daran ist, dass die Gesichtsmimik des Hundes mit jener des Menschen verglichen werden kann. Die Vermenschlichung ist ja häufig die Ursache für Fehlinterpretationen und die bisherigen Analyse der Gesichtsmimik haben gezeigt, dass Hund und Mensch andere Gesichtsmuskeln in denselben emotionalen Zuständen einsetzen.
Vor allem im Maul-Bereich sieht man laut Caeiro et al. (2017) die Gefühlslage des Hundes. Dabei wird hauptsächlich die Zunge eingesetzt oder das Maul geöffnet. Die Augengegend ist hingegen beim Menschen sehr im Fokus, beim Hund eher nicht.
Aufbau der neuen Studie zu Frustration
Die Emotionen vom Hund sind natürlich nicht so leicht zu erforschen, wie beim Menschen. Man kann keinen Hund einen Fragebogen geben und ersuchen diesen wahrheitsgetreu auszufüllen. Die Wissenschaftler haben im Testsetting also Leckerlis angeboten. Dabei wurde die Futterbelohnung einmal in einer offenen Box angeboten, das andere Mal konnten sie es nicht erreichen, da die Box verschlossen war. Bleibt das Leckerli unerreichbar, dann änderte sich, wie bereits oben erwähnt, die positive Erwartungshaltung irgendwann in Frustration. Und genau dies wurde am Hundegesicht mit der DogFACS auf Videoaufzeichnungen analysiert.
Frustration – wie äußert sich der Hund?
In früheren Studien, die ebenfalls Frustration beim Hund untersuchten, zeigten die Hunde Verhalten, wie Hinlegen oder Weggehen, bellten und schnüffelten mehr. In einer weiteren Studie, wo ebenfalls Frustration provoziert wurde, hielt eine Person Futter in einer geschlossenen Hand. Die Hunde versuchten durch Manipulation dieser an das Futter in der Hand zu kommen, standen still oder schauten die Person an. Das Verhalten des Hundes kann also sehr unterschiedlich sein – je nach Hund und Situation (oder worauf man mehr achtet!).
In einer Studie von Caeiro et al. (2017) wurde insbesondere das Lippen abschlecken (DogFACS AD37= Lip wipe), die Nase ablecken und das Aufstellen der Ohren (sodass sich die Ohransätze mittig über der Stirn nähern; DogFACS EAD102= Ears adductor) in positiver Erwartungshaltung auf ein Leckerli häufiger beobachtet. Dies war auch Anlass für die Wissenschaftler dies genauer in der aktuellen Folgestudie von Bremhorst et al. (2019) zu untersuchen.
In dieser wurde nun einzig der Gesichtsausdruck EAD102= „Ears adductor“ in der positiven Erwartungshaltung ausgemacht. Es scheint also, dass das Nase und/oder Lippen abschlecken in der beobachteten Form keine positive Erwartungshaltung ausmachen.
In der negativen Situation mit aufkommender Frustration wurden folgende Besonderheiten ausgemacht:
- “Blink” (AU145) – ein Blinzeln,
- “Lips part” (AU25) – ein leicht geöffnetes Maul, sodass die Zunge zwischen den Lippen sichtbar ist,
- “Jaw drop” (AU26) – das Maul ist deutlich geöffnet, man könnte es ähnlich einem beginnenden Hecheln deuten
- “Nose lick” (AD137) – das Lecken über die Nase, und
- “Ears flattener” (EAD103) – die Ohren sind nach hinten angelegt
Du kannst dir darunter nichts vorstellen? Bilder sagen bekanntlich mehr als 1000 Wörter: Die Original-Bilder zur Illustration sowie die gesamte Studie zum Nachlesen findest du daher hier: https://www.nature.com/articles/s41598-019-55714-6/figures/1
Was können wir aus der Studie lernen?
Es bestätigt zuerst einmal, dass angelegte Ohren nicht nur das Gefühl Angst ausdrücken, sondern auf eine generelle negative Gefühlslage hinweisen. Das Lecken von Nase und Lippen wird landläufig als Beschwichtigungssignal bei Interaktionen – sowohl zwischen Hund-Mensch, als auch Hund-Hund – gedeutet, welche vermehrt in sozialen Konfliktsituationen gezeigt werden. Damit soll der Hund nicht nur sein Gegenüber, sondern auch sich selbst beruhigen wollen. Die Nase und Lippen zu lecken ist also eher vermutlich ein Anzeichen von negativen Emotionen oder eines innerlichen Zwiespalts. Die beiden Gesichtsausdrücke „Jaw drop“ und „Lips part“, die ebenfalls in der negativen Situation häufiger beobachtet wurden, können eventuell als Vorstufen für das Lecken über die Lippen oder Nase gedeutet werden. Das Hecheln, das situationsabhängig auch als Stresssignal gewertet werden kann, wurde in dieser Studie übrigens bei der negativen Situation nicht vermehrt gezeigt.
In Summe macht aber nicht ein einzelner Gesichtsausdruck etwas aus, sonders das Gesamtbild. Es ist daher wichtig, dass der Hund von Kopf bis Schwanzspitze kritisch mit obigen Detailwissen betrachtet wird.
Literatur:
Bremhorst A, Sutter NA, Würbel H, Mills D & Riemer S (2019): Difference in facial expressions during positive anticipation and frustration in dogs awaiting a reward, https://www.nature.com/articles/s41598-019-55714-6?fbclid=IwAR2fFeLqPVL6TOOg2Mv-n0Tu0CkCsIU3nGw1QhHHtwU3wUdMaGx7tzrkRJI
Caeiro C, Guo K & Mills D (2017): Dogs and humans respond to emotionally competent stimuli by producing different facial Actions, Sci Rep 7, 15525, doi:10.1038/s41598-017-15091-4