Tipps, wie man seinem Hund beibringt ohne Ziehen an der Leine zu gehen gibt es viele. Mit diesem Blogbeitrag möchte ich dir also einen Überblick geben, welche Methoden für die Leinenführigkeit häufig empfohlen werden. Außerdem möchte ich dich aufklären, damit du verstehst welche Methode wie wirkt und welche Auswirkungen diese auf eure Hund-Mensch-Beziehung haben. Und abschließend gehen wir darauf ein, was bei diesen Tipps oft übersehen wird und was eigentlich das Wichtigste ist, um mit seinem Hund partnerschaftlich an der Leine zu gehen.
Zu faul zum Lesen? Du kannst dir das Webinar zum Blogbeitrag auch gerne auf Youtube ansehen:
Aber erstmal von vorne: Welche Tipps und Tricks geben sich Hundemenschen zum Thema Leinenführigkeit trainieren?
1. Ziehen= Stehenbleiben
Da ist also der Tipp: Wenn der Hund zieht, dann sollst du stehenbleiben. Diese Variante wird auch „Be a Tree“ genannt. Dabei steht man fest verwurzelt wie ein Baum. Zieht der Hund, bleibt man einfach stehen. Der Hund bekommt kein Kommando oder sonstige Aufmerksamkeit. Es geht erst weiter, wenn der Hund aufgehört hat zu ziehen.
Das Lernziel ist, dass Zug an der Leine sinnlos wird, weil man ja sowieso unter Zug nie ans Ziel kommt, sondern erst, wenn die Leine locker ist. Das kann im echten Leben aber oft nicht durchgeführt werden, weils in einer regelrechten Stehparty ausartet.
2. Ziehen= Umdrehen
Dann gibt es noch eine Abwandlung davon: Der Hundebesitzer soll einen Richtungswechsel machen, wenn der Hund in die Leine läuft. Es wird also einfach umgedreht und in die entgegengesetzte Richtung gegangen, wenn Spannung auf der Leine entsteht. Auch das soll der Mensch wieder ohne Ankündigung machen, er zieht also den Hund einfach an der Leine nach. Dadurch kommt der Mensch wieder nach vorne und übernimmt die Führung.
Das Lernziel ist wieder: Mit Zug kommt man nie an sein Ziel.
3. Hund blockieren= Ziehen verhindern
Dann gibt es die Hundemenschen, die durch „Körpersprache“ arbeiten. Ich möchte hier die Körpersprache da gleich unter Anführungszeichen stellen, weil die Körpersprache darunter besteht, dass dem Hund der Weg abgeschnitten wird. Man blockiert ihn, indem man dem Hund in den Weg springt oder ihn mit Körper, Bein oder Hand zurückdrängt bzw. anhält, wenn er überholt. Es wird auch häufig gesagt, dass man „in den Hund hineingeht“ oder ihn im Kreis abdrängt.
Diese Methode beruht darauf, dass der Hund niemals vor dem Menschen gehen darf. Ein Hund, der nicht vorne läuft, der kann auch nicht ziehen.
4. Zuppeln an der Leine bis der Hund nicht mehr zieht
Früher war das in der Hundeschule unter dem Begriff „Leinenruck“ Gang und Gäbe. Heute wird es zuppeln genannt und soll wohl hundefreundlicher sein. Diese Variante wird sowohl am Halsband, als auch am Geschirr angewandt. Das wird auch oft unter dem Vorwand gemacht, dass man den Hund aufmerksam machen möchte.
Das Lernziel ist: Bei Zug auf der Leine wird es unangenehmer.
5. Mit Futter in die richtige Position locken und führen
Die Empfehlung den Hund mit Futter an die Fußposition zu locken und mit Leckerli zu führen bekommt man oft für Welpen. Es wird der Hund mit einem Leckerchen vor der Nase bei Fuß geführt. Im nächsten Schritt wird das Leckerchen in der Hand etwas höher gehalten, bis es dann schließlich auf Fußhöhe ist und im letzten Schritt mit der Hand in der Jackentasche verschwindet.
Der Hund soll also lernen, dass es besonders angenehm ist, wenn er ohne Zug nah beim Menschen geht.
6. In die richtige Position clickern
Wem Clickertraining ein Begriff ist, hat vom Targettraining fürs Bei-Fuß gehen vielleicht schon gehört. Es wird eine imaginäre Targetlinie auf Kniehöhe geclickert und je nach Verhalten des Hundes belohnt.
Das Lernziel ist die Wunschposition neben dem Menschen zu verstärken, die dem Hund mit dem Clicker erklärt wird.
Welche Methode zur Leinenführigkeit bringts?
Lang genug und konsequent angewandt, kann jede Methode zum Ziel führen, oder die ganze Sache noch verschlimmern. Schauen wir uns also nun an, wie diese Methoden auf die Mensch-Hund-Beziehung wirken.
Auswirkung der Leinenführung auf die Mensch-Hund-Beziehung
Die Mensch-Tier-Beziehung kann qualitativ von sehr gut bis sehr schlecht reichen. Was man aus der Beziehung macht, ist also das wichtige, um zu beeinflussen, ob sie eine Diktatur oder eine partnerschaftliche wird.
Das hängt insbesondere davon ab, welche Emotionen während der Interaktionen zwischen Mensch und Tier aufkommen. Also ob diese Interaktionen mit viel Freude und Entspannung oder eher unangenehm sind und mit Angst, Schmerzen oder Frustration verbunden sind. Dazu gehört natürlich auch die Erziehung, wo oft viel Zwang und Druck angewandt wird.
Das resultiert dann darin, wie Mensch und Tier sich gegenseitig einstufen: als soziale Partner bzw. Freunde, eher neutral oder als angsteinflößende Feinde. Natürlich ist das Zusammenleben nicht schwarz oder weiß, es gibt die unterschiedlichsten Abstufungen.
Wer also bei der Erziehung, wie zum Beispiel beim Leinentraining mit Zuckerbrot und dann wieder mit der Peitsche arbeitet, dann schafft das Unsicherheit – man weiß ja nicht wie der Mensch heute reagiert. Es ist dann kein Folgen wollen, sondern aus Unsicherheit folgen müssen.
Lerntheorie für eine bessere Leinenführung verstehen lernen
Um zu verstehen, wie in der Erziehung ein positives Lernen gestaltet werden kann und wie oft unbewusst negativ gearbeitet wird, gehen wir nun ein bisschen auf die Lerntheorie ein.
Da gibt es einerseits die Verstärkung, wo die Konsequenz für das Verhalten vom Tier positiv bewertet wird und das Verhalten häufiger wird und die Bestrafung, wo die Konsequenz für das Verhalten negativ bewertet wird – das Verhalten wird daher seltener.
Es gibt sowohl die Verstärkung und die Bestrafung mit den Vorzeichen positiv (= ich füge etwas hinzu) und negativ (= ich nehme etwas weg). Bei der positiven Verstärkung gebe ich also etwas positives hinzu, wie Futter, Lob oder Zuwendung. Das Verhalten wird daher mehr. Bei der negativen Verstärkung wird der unangenehme Reiz entfernt. Es kommt also etwa ein angsteinflößendes Objekt weg. Dann nimmt das Verhalten auch zu.
Bei der positiven Bestrafung kommt ein unangenehmer Reiz hinzu. Der Hund wird also geschimpft, bekommt einen Leinenruck oder auch das Leinenende kann schon eine positive Bestrafung sein. Das mit dem Leinenende schauen wir uns gleich genauer an. Hier sollte das Verhalten dann abnehmen. Als letzte Form gibt es noch die negative Bestrafung, wo ein angenehmer Reiz entfernt wird. Es kommt also die Aufmerksamkeit weg, der Freund geht weg, es wird also etwas weggenommen, was gefällt. Hier sollte dann auch das Verhalten abnehmen.
Hund zieht an der Leine – nichts hilft
In der Theorie wäre das Leine gehen also leicht zu trainieren. Das in die Leine laufen unangenehm machen, an der lockeren Leine ein paar Leckerlis und fertig. In der Praxis ist das etwas komplizierter, da sich je nach Situation die Ausgangslage verändern kann. Man kann sich das wie auf einer Waage vorstellen. Manchmal wird die Konsequenz höher gewertet, als die aufgewendete Energie für die Reaktion, dann ist alles in Ordnung. Also etwa, wenn der Hund leicht hungrig ist und er schon genug geschnüffelt hat. Dann ist das Training mit dem Leckerli verdienen vielleicht genug Ansporn brav an der lockeren Leine zu gehen. Hat der Hund aber zum Beispiel derzeit keinen Hunger und er möchte Schnüffeln, bringt das Leckerli vielleicht gar nichts, oder muss klug mit anderen Faktoren aufgebaut werden. Je nach Situation können die unterschiedlichen Formen von Bestrafung und Verstärkung vollkommen unbewusst, aber doch mit großer Wirkung schnell hintereinander stattfinden.
Lerntheorie zum Leine ziehen – was passiert?
Schauen wir uns also die Lerntheorie zum Leine ziehen an, also das was automatisch passiert, wenn das Leinenende erreicht wird:
Du hältst also die Leine fest in der Hand und der Hund läuft gegen das Ende und beginnt zu ziehen, weil er eine Straßenlaterne sieht bzw. schon aus der Entfernung riecht, dass dort andere Hunde hin markiert haben. Dort möchte er natürlich genauer schnüffeln…
Du hältst also die Leine wie gesagt so fest wie du kannst und es kommt Druck am Halsband oder Geschirr auf. Er kommt also nicht hin – aus Sicht der Lerntheorie bekommt er eine positive Strafe (= es kommt ein negativer Reiz hinzu, das Leinenende, das ihn aufhält und eventuell unangenehme Schmerzen verursacht). Das Verhalten soll dadurch weniger werden.
Zieht der Hund so kräftig an der Leine, dass du nachlässt und einen Schritt nachgibst, dann ist das eine negative Verstärkung – ein unangenehmer Reiz wird entfernt – also das Leinenende, gegen das dein Hund soeben gelaufen ist. Wir haben also gelernt, dass dann das Verhalten zunimmt.
Schafft es dein Hund jetzt auch noch zur Straßenlaterne hin und schnüffelt, dann ist das eine positive Verstärkung. Der Hund hat sein positives Erlebnis, also das was er wollte.
Fazit – welche Methode ist die richtige?
Schauen wir uns nun die Methoden zur Leinenführigkeit nochmal aus der Sicht der Lerntheorie mit Fokus auf die Mensch-Tier-Beziehung an.
Ziehen= stehenbleiben
Wenn man wirklich immer konsequent ständig beim Ziehen stehenbleibt und nicht unabsichtlich die vorher erwähnten Fehler zur unbewussten Verstärkung begeht, kann das mit der Zeit zum Erfolg führen, weil eine positive Bestrafung, alleine schon durch das konsequente Leinenende erreicht wird. Es ist aber so, dass wenn man diese Methode so anwendet, wie sie auf Social Media, Youtube oder Co empfohlen wird, dann ist man als Mensch nicht ein vertrauensvolle Führungsperson, sondern einer, der ständig alles vermiest zu was der Hund motiviert wäre. Man arbeitet also stark mit Frust.
Ziehen= umdrehen
Das Leinenende ist also eine positive Bestrafung haben wir gelernt. Und was passiert beim plötzlichen Umdrehen? Genau es kommt noch mehr Zug auf die Leine, es wird also sofort eine weitere, stärkere positive Bestrafung draufgesetzt. Du kannst dir also vermutlich schon denken, dass das auch das Gegenteil als das Folgen wollen durch eine partnerschaftliche Führung ergibt. Der Hund wird mit der Zeit unsicher und, um den negativen Konsequenzen zu entkommen folgt er dir bzw. ist auf der Hut – je nach Persönlichkeit des Hundes kann das früher, später oder nie passieren. Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck.
Ziehen= blockieren
Das ist ebenfalls eine Arbeit mit einer positiven Bestrafung, nur wartest du nicht auf das Leinenende, sondern handelst schon, wenn er dich überholt. Dein Blockierversuch kann je nach Ausführung mehr oder weniger bestrafend sein. Du darfst auch nicht vergessen, dass einmaliges heftiges blockieren natürlich auch Nachwirkungen haben kann. Durch den geschaffenen Respekt bzw. besser gesagt entstandene Angst reagiert dein Hund dann schon auf ein Umdrehen ohne Körperkontakt. Auch hier bist du eher ein Diktator, der jeden Schritt deines Hundes überwacht, als ein freundlicher Partner, der sich durch kluge Handlungen als Führer qualifiziert hat. Diese Rolle musst du dann ein Leben lang übernehmen, um ihn vor dem Ausbrechen zu hindern.
Ziehen= zuppeln
Mit dem Zuppeln an der Leine wollen wir uns gar nicht lange aufhalten. Natürlich ist das auch eine positive Bestrafung, die hinzugefügt wird.
In Position locken
Das Locken und führen mit Leckerlis ist etwas, das eine positive Bestärkung ist. Von daher ist es viel hundefreundlicher, als die zuvor genannten Methoden, wo absichtlich positive Bestrafung angewandt wird. Auch das unabsichtliche in die Leine laufen wird damit umgangen.
Das Problem ist hier aber, dass der Hund primär nicht auf den Menschen achtet, sondern auf das Leckerli in der Hand. Er ist also Futterfixiert, nicht in einer partnerschaftlichen Führung.
In Position clickern
Das Clickertraining für eine Position an der lockeren Leine ist dafür schon eher geeignet, da eine gewisse Handlung durch das Futter positiv verstärkt wird. Es darf aber nicht vergessen werden, dass hier für Erfolg das Timing und Verhalten genau passen müssen. Auch muss nicht unbedingt Futter der positive Verstärker sein. Gerade, weil es wie schon erwähnt vielleicht in diesem Moment gar nicht der richtige ist.
Tipps für eine partnerschaftliche Leinenführung
Du hast vielleicht schon gemerkt, dass es mit einer solchen Methode zur Leinenführigkeit nicht getan ist. Was solltest du für ein harmonisches Miteinander noch tun?
Ursache fürs Leineziehen finden!
Du solltest erstens die Ursachen für das Leineziehen finden und nicht wild am Symptom herumprobieren. Warum zieht der Hund an der Leine? Das kann je nach Situation ganz unterschiedlich sein:
Dein Hund weiß vielleicht gar nicht, dass die Leine locker sein soll oder das Leineziehen bringt eben durch Nachgeben früher oder später bzw. immer wieder doch Erfolg.
Dein Hund hat vielleicht von Grund auf ein zu hohes Erregungslevel und kann sich einfach nicht beherrschen. Dabei müssen die Schlaf- und Ruhepausen angepasst werden, es gibt Entspannungstraining und auch die Ernährung kann etwas dazu beitragen.
Dein Hund kann auch auf die bewegte Umwelt, wie Wildtiere, Autos, Radfahrer usw. stark reagieren. Hier sollte also Stressmanagement betrieben werden und an den Umweltreizen aktiv gearbeitet werden. Es würde hier nichts helfen, wenn der Hund 100 Stunden Übungen zur Leinenführigkeit bekommt, aber der Reiz das Problem ist.
Sich als kluger Führer beweisen
Außerdem ist die Bildung einer Verbundenheit zum Menschen wichtig. Also das heißt, dass der Hund eine Führung durch den Menschen wegen seiner klugen Entscheidungen und der daraus resultierenden guten Beziehung schätzt, nicht weil er Angst vor Bestrafung hat.
Das heißt nicht, dass du dich weder bewusst noch unbewusst nachziehen lässt, weil das wie im Lerntheorie-Beispiel vorher einfach einen Prozess aus negativer sowie positiver Bestrafung bzw. Verstärkung auslöst.
Nicht selbst an der Leine ziehen
Du solltest niemals unbewusst oder bewusst gegenziehen. Druck erzeugt Gegendruck und es entsteht also ein Gegeneinander statt ein Miteinander, wo der Stärkere gewinnt bzw. dominiert.
Gezielt schaffbare Übungen stellen
Du solltest primär auch nicht darauf warten, bis dein Hund zieht, sondern schon vorher etwas tun. Das heißt du solltest gezielt üben und schaffbare Ablenkungen einbauen, die ihr gemeinsam meistert.
Längere Leine, aber keine Flexileine
Eine längere Leine ist ebenfalls stark empfehlenswert, denn die meisten sind für eine echte Kommunikation zwischen Hund und Mensch zu kurz. Du kannst dann fast gar nicht anders, als mit Leinenzug einzuwirken. Mit einer ausreichend langen Leine kannst du so arbeiten, als wäre keine Leine da und das hilft eben bei der Führung, die du zum Mitgehen wollen des Hundes brauchst. Das heißt aber nicht, dass du keine Flexileine benutzen solltest – mit der entsteht ständig unbewusst Zugspannung.
Kommunikation an der Leine
Und abschließend sollest du mit einem Hund in Kommunikation treten und positive Interaktionen an der Leine anzetteln. Das wichtige ist dabei, dass die Leine zwar da ist, aber die Kommunikation so gut klappt, dass dein Hund nicht ins Leinenende donnert.
Gratis Übungen für dich!
Das klingt theoretisch alles vielleicht logisch, praktisch kann es da schon wieder anders aussehen. Ich habe also Beispielvideos für zwei Übungen für ein achtsames Miteinander an der Leine für interessierte und bemühte Hundeeltern als gratis Bonus zusammengestellt, damit du dir mehr darunter vorstellen kannst. Möchtest du diese auch haben? Dann fordere diese einfach unter kontakt@tierperspektive.com an.
Coaching bei dir zuhause oder online
Brauchst du Hilfe? Ich unterstütze euch gerne bei eurem Weg zur lockeren Leine. Ich bin persönlich bei dir vor Ort im schönen Oberösterreich für dich da, aber auch online weltweit. Dazu habe ich ein Online-Intensiv-Trainingspaket entwickelt, wo wir nicht nur eure individuelle Situation analysieren, und ich dich so individuell berate, wir können dabei auch mit Videoanalysen und Verhaltensbeobachtungen arbeiten und so den passenden Trainingsweg für euch finden bzw. Fehler ausmerzen.
Beitrag teilen und so anderen Hunden und Hundeeltern helfen!
Möchtest du auch andere Hundehalter über den Sinn und Unsinn der Methoden zur Leinenführigkeit aufklären? Dann teile diesen Beitrag gerne weiter und hilf mit, dass die Hundewelt ein bisschen freundlicher wird. Vielen Dank im Namen vieler Hunde, die unbewusst rücksichtslos an der Leine gezogen werden. Liebe Grüße, deine Doris von Tierperspektive.