Studie beweist, dass Pferde über Symbol-Sprache ihre Wünsche mitteilen können
Wer träumte in seiner Kindheit auch, wie Dr. Dolittle mit den Tieren „sprechen“ zu können? Dass aus Science-Fiction Realität werden kann, beweist eine neue norwegische Studie (Mejdell et al., 2016). 23 Pferden wurde die Bedeutung von Symbolen gelernt. Danach „befragten” sie die Wissenschaftler, ob sie während unterschiedlichen Wetterbedingungen eine Decke tragen wollten oder nicht. Das Ergebnis war eindeutig – sie kommunizierten ihre Wünsche und Präferenzen. Falls du dir jetzt denkst: „Bullshit“ oder „Glaub ich nicht!“, kann dich vielleicht der findige Versuchsablauf überzeugen… Wie funktioniert die Pferdesprache?
Details zum Versuchsablauf – Pferdesprache
Die 23 Pferde unterschiedlicher Rassen waren zum Teil aus Privatbesitz, aber auch einige Schulpferde einer landwirtschaftlichen Fachschule waren beteiligt. Die Lern-Periode betrug, abhängig von den Lernfortschritten des jeweiligen Pferdes, bis zu 14 Tage und bestand aus 2-3 Test-Sessions pro Tag, die jeweils etwa 5 Minuten dauerten. Über positiver Verstärkung wurde versucht, den Pferden die Bedeutung von 3 Symbolen zu erläutern. Nach dem Prinzip des Clickertrainings wurde das Wort „ya!“ mit einem kleinen Stück Futter (Karottenscheibe) verknüpft (mit der Begründung für das Wort als Marker, dass das Tragen von Handschuhen in den nördlichen Breiten die Clicker-Rate behindern würde).
Die Symbole auf den Tafeln waren willkürlich gewählt und bestanden aus einem horizontale Strich (–) mit der Aussage „Decke anlegen“, einem vertikalen Strich (|), der „Decke abnehmen“ besagte und einer leeren Tafel ohne Symbol mit der Bedeutung „keine Änderung“. Um einen Seiteneffekt auszuschließen, wurden die Tafeln an verschiedenen Stellen (Wand oder Zaun) aufgehängt, als auch in unterschiedlicher Anordnung oder Position (nah und fern).
10 Stufen Pferdesprache bis zur Assoziation der Symbole
Zuerst erlernten die Wissenschaftler den Pferden mittels freien Formen (Shaping) das Berühren der Platten. Dies festigten sie in einem weiteren Schritt auch an verschiedenen Positionen. Nachdem dies klappte, kam das Lernen der Symbole hinzu. Dabei begannen die Wissenschaftler zuerst mit nur 1 Symbol, das die relevante Handlung enthielt. Also z.B. das Symbol „Decke abnehmen“, falls das Pferd eine Decke oben hatte. Bei Berührung erhielt das Pferd eine Belohnung und die entsprechende Handlung führte der Wissenschaftler aus, also in diesem Fall das Abnehmen der Decke. Im nächsten Schritt präsentierten die Wissenschaftler den Pferden beide Symbole und belohnten sie nur, wenn die Pferde das sinnvolle Symbol wählten, also zB. „Decke runter“ nur falls das Pferd eine Decke oben hatte.
Das nächste Ziel bestand darin, eine Verknüpfung mit dem eigenen Temperaturempfinden herzustellen. Dazu legten die Wissenschaftlern den Pferden etwa eine besonders dicke Decke auf. Danach überprüften sie, ob das offensichtlich überhitzte Pferd das Symbol „Decke runter!“ wählte. Nach demselben Prinzip war der Kältetest aufgebaut, wobei das Pferd ohne Decke in die Kälte musste. Im vorletzten Schritt, welcher am Trainingstag 11-13 erreicht wurde, wurde das „keine Änderung“-Symbol eingeführt. Dabei belohnten die Wissenschaftler das Pferd mit Futter bei Berührung, ohne der Ausführung einer echten Handlung. In der letzten Lern-Session präsentierten die Wissenschaftler in zufälliger Kombination und Position jeweils 2 Symbole, aber nur die sinntragenden Auswahlen belohnten sie. Also beim Tragen einer Decke nur die Symbole „Decke runter“ oder „keine Änderung“. Als verstanden galten die 3 Symbole mit der Assoziation des eigenen Temperaturempfindens, wenn die letzten 14 Versuche richtig waren. Die menschliche Pferdesprache erlernten die Tiere also in einem Sprachkurs Pferd, der stufenweise aufgebaut war.
Der Test – Pferdesprache
Nachdem alle Stufen erfolgreich bestanden waren, folgte der ultimative Test, ob die Pferde die Kommunikationsmethode verstanden hatten. Die Pferde kamen für einen Zeitraum von 2 Stunden, teilweise mit bzw. ohne Decke auf ihren gewohnten Paddock, um abzusichern, dass sie sich der Wetterlage bewusst waren. Danach „fragten“ die Wissenschaftler, ob sie denn die Decke drauf behalten oder lieber abgenommen haben möchten, bzw. jene ohne Decke eine benutzen möchten, oder nicht. Dabei präsentierten die Wissenschaftler die 2 relevanten Symbole und belohnten beide Symbole bei Berührung. Je nach Witterung entschieden sich die Pferde signifikant häufiger für die uns schlüssige Wahl, nämlich keine Decke bei schönem Wetter und das Benutzen einer Decke bei schlechterer Wetterlage.
Alle 10 Pferde, welche eine Decke an einem sonnigen Tag trugen, ersuchten die Wissenschaftler diese abzunehmen, und die 10 ohne Decke wollten auch ohne Decke bleiben. Das nahezu umgekehrte Bild bot sich bei schlechtem Wetter – alle 10 Decken-tragenden Pferde wollten keine Änderung, 10 der 12 ohne eine Decke angelegt haben. An weiteren Testtagen mit kälteren Temperaturen wählten dann auch die 2 verbliebenen Pferde eine Decke.
Die Wissenschaftler merkten außerdem an, dass die Pferde ihr Verhalten änderten und bemerkbar motivierter an der Teilnahme am Versuch waren, als diese realisierten, dass sie der Mensch in Bezug auf den Zudeck-Status verstand. Es zeigte sich auch, dass manche Pferde vor der Testsituation versuchten Aufmerksamkeit vom Trainer durch Wiehern oder Nachlaufen zu bekommen. Bei der vorgezogenen Test-Session wollten diese die Decke abgenommen haben – sie schwitzten.
Fazit – Pferdesprache
Nein, die Schlussfolgerung ist jetzt nicht, dass Pferde ab bestimmten Temperaturen eine Decke benötigen (denn naturbelassen bildet sich normalerweise ausreichend Fell selbst), sondern dass Pferde ihre Wünsche und Präferenzen mittels Symbol-Sprache preisgeben können. Das Clicker-Training hat das Potential Tieren Dinge präzise zu erklären und gibt uns die Macht, fast genauso wie Dr. Dolittle, mit ihnen „sprechen“ zu können.
Wer jetzt schreit: „Der Clever Hans Effekt!“, dem zeigt die Studie die Stirn. Einerseits achteten die Wissenschaftler penibel darauf, die Pferde nicht unbewusst zu beeinflussen, andererseits gab es ja kein richtig oder falsch. Beide Symbole wurden gleichermaßen belohnt, nur die dazugehörige Handlung war unterschiedlich. Die abschließende Frage bleibt: „Wollen wir wirklich hören, was die Pferde über so manche Praktiken denken und was sie wirklich wollen?“
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Literatur:
Mejdell, C. M., Buvik, T., Jørgensen, G. H. M., & Bøe, K. E. (2016). Horses can learn to use symbols to communicate their preferences. Applied Animal Behaviour Science. doi:10.1016/j.applanim.2016.07.014